WertWirrungen

Sollen die "die klassisch preußischen Tugenden Geradlinigkeit, Gerechtigkeitssinn, Ehrlichkeit, Disziplin, Pünktlichkeit, Ordnungssinn, Fleiß und Pflichtbewusstsein vermittelt werden." (aus dem Wahlprogramm der AfD in Sachsen-Anhalt)

Tschuldigung, ich lieg grad lachend unterm Tisch. "Ehrlichkeit" *kreisch ... ... Ich weiß, es ist nicht zum Lachen ... aber ... aber ... diese Aufzählung ... und dann die Typen dazu ... jesses. Ne, oder? ... Ich bekomm die Bilder nicht aus dem Kopp jetzt... Oh, oh, die Latte liegt zu hoch ... aber wenn man keine eigene Latte hat, dann muss man sie halt imaginieren ... Ernsthaft, ich versuch es, zumindest: Liebe AfDler, ihr habt nicht mal einen Hauch von Ahnung, was diese Begriffe bedeuten könnten (und in welchen Kontexten sie vielleicht Sinn machen würden), denn wenn ihr eine klitzekleine Ahnung davon hättet, nur ne klitzeklitzekleine, dann, ja dann wärt ihr nicht in der AfD

Neid

„Wenn ich das richtig verstehe, wusstest du bis gestern gar nicht so genau, was der Hessenpark ist und das wäre auch jetzt, nach dem du es weißt, nicht so eines deiner präferierten Ausflugsziele am Wochenende. Erinnert dich ein bissl zu sehr an Schulausflüge, mit all diesen alten Gebäuden und deren Geschichte. Ne, nicht so dein Ding. Aber! Jetzt! Jetzt lassen die die Flüchtlinge da umsonst rein. Stellt euch das vor! Umsonst! Diese Schmarotzer! Diese, diese Absahner! Diese  … da kommt dir doch die Galle hoch. Unser Kulturerbe fluten die jetzt! Umsonst!“ … … … *denkdenkdenk … Ne, „Kulturerbe“ würdest du wohl nicht sagen. Gehört eher nicht so in deinen Sprachgebrauch, der Begriff. 

Verantwortung

Ich nenne es Freiheit und Verantwortung. Die eine gibt es ohne die andere nicht. Da du ein Mensch bist, kannst du beide auch nicht ablegen, denn sie sind dem Menschsein immanent.

So was Blödes aber auch.



Der Unterschied zur Situation der Flüchtlinge und Migranten: Krieg, Folter, Armut, Katastrophen kannst du dir nicht aussuchen. Sie geschehen dir. Du kannst darauf nur reagieren. Wie? Das ist wiederum die Entscheidung des Einzelnen, mit allen Konsequenzen und Eigenverantwortung. 
Wenn es ums nackte Überleben geht, ist der Entscheidungsspielraum jedoch oft nur ein winzig kleiner und oft ein alternativloser. Das gilt es zu bedenken. 

Schießen

„Die Petry meint, dass notfalls die Polizisten an der Grenze auch von der Schusswaffe Gebrauch machen müssten. Immerhin stehe dies so im Gesetz.“

„Überraschung! ... Ne, nicht wirklich, oder? Jetzt tun Sie nicht so empört. Wie denken sich denn die ganzen GrenzeZuSchreier und ObergrenzeBüller ließe sich so eine Grenze kontrollieren, wenn nicht mit Waffengewalt? Wer das wirklich umsetzen will, der muss letztendlich Gewalt einsetzen. Oder meinen die, dass die Menschen, die gerade mal ihr altes Leben in Gänze hinter sich gelassen und mit nicht mehr als ihrem Leben und ihrem Überlebenswillen da stünden, freundlich verständnisvoll nickend sich umdrehen und frohgemut wieder zurück wandern würden? Nein! Wer Grenzen dicht macht, der muss auch bereit sein zum Schießen, Verletzen und Töten. So einfach ist das. Und die, die danach brüllen, die wissen das auch. Oder sie sind einfach nur strunzdumm. Das glaube ich aber nicht. Oder?“

Konstruktiv?

Das rein Destruktive von AfD, Pegida, etc. erkennt man daran, dass nichts, aber auch gar nichts Konstruktives aus dieser Richtung kommt. Im Gegenteil: In einer Zeit, in der es oberstes logisches Gebot wäre - zur Erhaltung, Stabilisierung und Weiterentwicklung des Guten im Bisherigen - dem Chaos mit durchdachten Konzepten eine Struktur zu geben, kommt aus dieser Ecke nur nölend grölendes „Weg mit.., raus mit.., mimimi“. Das verstärkt das Chaos, zieht Energie vom eigentlich Wesentlichen ab, verschiebt den Fokus auf Nebensächlichkeiten und untergräbt den Prozess der angemessen reflektiert nachhaltigen Anpassung an neue globale Gegebenheiten. Und alle fallen drauf rein und geben sich dem Schwachsinn hin. Wie die Lemminge.  

Meldungen

Mal ernsthaft: Immer wieder rauschen durchs Netz, vor allem ausgehend von rechten Seiten und Klickzahlen sammelnden Accounts von Privatpersonen und der Regenbogenpresse, die dramatischen Meldungen von durch Migranten/Flüchtlinge vergewaltigten Frauen, Mädchen, Kindern.

Nach einigen Tagen der virtuellen Empörungswellen mit bösartigen Hetzkommentaren finden sich dann nach Recherchen durch Polizei und seriöserer Presse und Initiativen Meldungen, dass dies alles so nicht stimmte.

Selbst mir persönlich fällt es schwer, die Gegendarstellungen dann den jeweils hochgeputschten Vorfällen schnell richtig zuzuordnen.

Ich kann mir vorstellen, dass bei unbedarften NutzerInnen zwei Eindrücke dadurch entstehen können: Entweder es bleibt das Gefühl, dass sexuelle Gewalt durch Neuankommende extrem überhandnimmt und auch Kinder nicht verschont, oder es entsteht der Eindruck, dass eh alles nur verlogene Propaganda ist und man übersehe solche Meldungen am besten.

All das macht mir ein Grummeln und lässt mich im Augenblich etwas hilflos und wütend zurück.

Anzeigen und Meldungen von sexueller Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Kinder, egal welcher Nationalität, Herkunft, etc. die Täter haben, sollten zu Recht unsere Aufmerksamkeit und eine breite Öffentlichkeit finden. Ich halte es jedoch für eine maßlose Unverschämtheit und eine weitere widerlich missbrauchende Erniedrigung der tatsächlichen Opfer, wenn bewusst mit Falschanzeigen und Falschmeldungen Stimmung gemacht wird. An letzterem will ich nicht beteiligt sein.

Deshalb rate ich mir und euch: Geht achtsam mit solchen Meldungen um. Wartet ein paar Tage ab, bevor ihr sie dann weiter verbreitet. Kühlt erstmal eure spontane Empörung durch ein wenig Sachlichkeit runter. Recherchiert genau, ob es Gegendarstellungen dazu gibt, auf welchen Informationsquellen die Erstmeldungen beruhen und wer genau das verteilt hat.

Das wäre fair, auch den Betroffenen gegenüber. Lasst euch nicht zu Handlangern machen. Weder so, noch so. Danke. 


Veränderungen

Was hat sich konkret an deiner persönlichen Lebensqualität durch die Zunahme der Flüchtlings- und Migrationszahlen in den letzten Monaten geändert?

Was hat sich für mich verändert? Real konkret erstmal nix, außer dass meine Tochter öfters als sonst gefragt wird, aus welchem Land sie denn geflohen sei. In Bezug auf Anmache, Antanzen, sexuelle Übergriffe etc.  - da ich älter bin und weniger in der Stadt nachts unterwegs, kann ich dazu nix sagen. Als Frau war ich in bestimmten Situationen schon immer auf der Hut. Rassismus? Ja, gab und gibt es, solange ich denken kann um mich drum herum. Hat mir nie Angst gemacht, sondern mich höchstens wütend. Genauso wie die Realpolitik weltweit. Für mich eine Systemfrage, daran hat sich nichts verändert. Warum auch? Gewalt auf den Straßen? Ich frag mich seit Jahren erstaunt ob all dem Elend und der Ungerechtigkeiten, warum unsere Städte nicht brennen. Aufgefallen ist mir, dass eben nicht nur die Braunen und "Besorgten" lauter werden, sondern auch die Besonnen und bisher eher stillen, hilfsbereiten und offenen Menschen. Das geht oft unter in diesen Tagen. Fürchte ich um mein Land? Nicht mehr und nicht weniger als in den Jahrzehnten vorher. 

Schaue ich auf die letzten sechzig Jahre zurück, so ganz persönlich, dann kann ich nur feststellen, dass Dummheit, Vorurteile, Diskriminierung und auch Rassismus schon immer ein Teil meines Lebens waren, mit dem ich mich auseinandersetzen musste. Heute ist er lauter, bekommt mehr öffentlichen Raum. Das macht es widerlicher, aber für mich als Person auch einfacher: Mein Gegenüber sagt mir nun ins Gesicht, welche Gesinnung es in sich trägt und schlägt nicht hinterfotzig hinten rum um sich rum und auf mich drauf.

Die vielen Menschen aus so unterschiedlichen Ländern? Da ich Jahrzehnte in der Flüchtlingsarbeit tätig war, kommt mir das alles nicht fremd vor. Zu meinem Umfeld gehörten und gehören ganz selbstverständlich Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen. War und ist eine Bereicherung.

Ja, ich weiß deshalb um die Problematiken der Integration, auch um das Gewaltpotential auf allen Seiten. Ich weiß aber auch: Einfache, eingleisige Lösungen waren und sind für die Katz und allerhöchstens Propagandamittel. Nebeneffekt durch die hohe Zahl der Neuankommenden: Das was bisher schon Scheiße war in meinem Land, wird nun deutlicher sichtbar. Dafür können die Ankommenden nix, das sind unsere liegen gebliebenen Aufgaben. Die könnten wir jetzt endlich gemeinsam angehen.

Besorgnisse? Ja, die kann ich gut verstehen. Umbrüche und Veränderungen bringen das mit sich. Im Großen und im Kleinen. Eines der besten Werkzeuge dafür: Raus aus dem passiven Hinnehmen und aktiv an der Gestaltung einer menschenwürdigen, die Menschenrechte achtenden Gesellschaft für alle mitwirken. Alles was wir dafür brauchen, ist schon da. Im Großen, wie im Kleinen.


Hoffnungslos macht mich das alles nicht. So gar nicht.