Alter Zopf im alten Gewand

Warum tun alle nur so, als sei Rassismus, Xenophobie, Antisemitismus, Homophobie und rechtes Gedankengut was völlig Neues. Hallo, es gab keinen Bruch nach 1945, auch nicht nach 1968 und danach schon gar nicht. Die Einstellungen und Haltungen waren die letzten Jahrzehnte ungebrochen in der Bevölkerung vorhanden. Mal mehr, mal weniger öffentlich. Mal mehr, mal weniger verschwiegen, verdrängt, flüsternd. Mal mehr offensiv gewalttätig, mal weniger.

Weg war da nie etwas. Die Zeiten und Umstände sind im Augenblick nur günstiger um Woge zu machen und sich als „Partei“ zu etablieren. Und durch die neuen Medien kann man ja scheinbar gefahrlos endlich der Welt jeden menschenverachtenden Scheiß verkünden, ohne große Ängste und Hemmungen vor den Folgen haben zu müssen und dadurch den Eindruck erwecken, man sei ganz, ganz Viele.

Neu ist daran nix. Auch nicht die Anbiederung aller Parteien an die völlig depperten, eigentlich unwichtigen und oberflächlichen Themen und an die Art der schrägen „Problemlösungsvorschläge“ aus Angst um Wählerstimmen und eigene Pfründchen.

Was neu ist, ist das leise verhaltene, kaum noch hörbare Murmeln oder gar laute Schweigen all derer, die es eigentlich besser wissen, anderes denken, allereigentlich nichts damit zu tun haben wollen. Das ist neu. Ja. Beängstigend neu. 

Die Kinder haben ein Gesicht

"Müssen Sie eigentlich, immer wenn es um Flüchtlinge und Migration geht, so herzzerreißende Kinderbilder mit hochladen, Frau Müller?"

"Ja, muss ich. Denn es geht ja um Kinder, die gerade elendig verrecken. Diese haben Namen und, aufgepasst!, Gesichter."

"Es nervt aber!"

"Schmeckt Ihnen dann Ihr Frühstück nicht mehr?"

"So ungefähr."

"Drauf geschissen."

"Hallo! Das war jetzt unfreundlich!"

"Ach, aber Sie baden in Menschenfreundlichkeit? Immerhin bleibt Ihnen beim Anblick der Kinder zumindest das Brötchen im Halse stecken. Es besteht Hoffnung. Immerhin"

Sprachlosigkeit

„Weißt du nicht, was überall auf der Welt passiert? Was Menschen den Menschen antun?“

„Na und, Menschen wachsen nach.“

Gesprächsabbruch

Dazu fiel selbst mir nix mehr ein.

Ist das Zynismus? Empathielosigkeit? Innere Verhärtung? Dummheit? ... Manchmal weiß ich es wirklich selbst nicht mehr. Damit umgehen fällt mir immer schwerer. Es ist, als würden wir in völlig unterschiedlichen Universen leben und würden nicht die gleiche Sprache sprechen. Ich verstehe zwar die Buchstabenreihungen, aber ich kann irgendwie nicht mehr folgen. Verständigung nicht mehr möglich, da ich nicht weiß, wo ich ansetzen sollte. Da ist so grundsätzlich etwas völlig verschoben im Menschenbild.

Das macht mich traurig. Und hilflos.