Rollenspiel
für schulische und außerschulische Projekttage
Grenzüberschreitungen
– ein Spiel mit Folgen
Um
etwas über mich zu erfahren, um in „Bewegung“ zu kommen,
benötige
ich ein lebendiges Gegenüber.
Ich
muss mich durch die Augen des anderen sehen können;
Mich
anfassen können, indem ich den anderen anfasse;
Muss
meine Grenzen in den Grenzen des anderen erkennen.
Ich
muss mein Leid in seinem Leid wiederfinden.
Und ich
muss ihn und mich, so wie wir sind, aushalten können.
Hintergrund
Mehr
als 65 Millionen Menschen befinden sich weltweit auf der Flucht. Die
Fluchtursachen sind vielfältig und niemals eindimensional. Menschen verlassen
ihre Heimat, ihnen die grundlegendsten Menschenrechte versagt werden. Sie
fliehen vor der Verfolgung durch die Sicherheitskräfte ihres Staates. Sie
fliehen vor Krieg, Hunger, Armut und der Zerstörung ihres Lebensraumes. Sie
fliehen innerhalb ihres Landes oder in die Nachbarländer. Mehr als die Hälfte
von ihnen sind Frauen und Kinder. Nur wenige dieser Menschen schaffen es bis in
die reichen Länder des Nordens. Internationale Konventionen und Abkommen
sichern Flüchtlingen Schutz und Hilfe in den Aufnahmeländern zu. Nationale
Gesetzgebungen regeln die Art und Weise der Anerkennung und der Aufnahme der
Flüchtlinge.
Auch die Bundesrepublik Deutschland ist eines
dieser Aufnahmeländer. Jährlich beantragen etwa hunderttausende Menschen bei
uns Asyl. Nur etwa 5% von ihnen werden als asylberechtigt anerkannt. In vielen
Köpfen entsteht der Eindruck, gefördert durch die Benutzung des Themas
„Asylbewerber“ für kurzfristige tagespolitische Stimmungsmache von Parteien und
anderen gesellschaftlichen Interessenverbänden, die Ursachen für die Flucht der
abgelehnten 95 % der Asylbewerber lägen überwiegend in der subjektiven
„Lebensplanung“ des Einzelnen und es ginge der Mehrheit der abgelehnten
Asylbewerber lediglich um eine Verbesserung des eigenen Lebensstandards.
Trotz Informationsvielfalt bleibt das Wissen
um die Hintergründe und die Zusammenhänge von Fluchtursachen und die
vielfältigen Verknüpfungen mit den eigenen Lebensumständen oberflächlich.
Oftmals werden einfache oder gar falsche Informationen zu bequemen Denkmustern
zusammengestellt und verfestigen sich so im Laufe der Zeit.
Die Zeit drängt –
schnelle Lösungen versprechen jedoch keine Nachhaltigkeit.
Splitter
- Eigene Befindlichkeiten
und Bedürfnisse, Träume und Ängste, Hoffnungen und Enttäuschungen, eigene
Lebensentwürfe, Werte und Normen mit ins Blickfeld nehmen.
-Das Verständnis für
die kulturelle Bedingtheit individueller und gesellschaftlicher Denk- und
Handlungsmuster fördern.
- Wohlwollende
Wahrnehmung und Akzeptanz der eigenen Person führt zur wohlwollenden
Wahrnehmung und Akzeptanz des Gegenübers – und bedingt sich gegenseitig.
-
Widersprüchlichkeiten sind der Thematik zugehörig. Sie gilt es auszuhalten.
- Sachliche Informationsvermittlung
unter Berücksichtigung und Offenlegung der jeweiligen Interessenlage und Bezüge
Die
Arbeit mit dem Rollenspiel „Grenzüberschreitungen“ versucht, diese einzelnen
Aspekte zu berücksichtigen. Dadurch ist der Verlauf nicht festgeschrieben, jede
Umsetzung gestaltet sich einzigartig. Während des Spiels verwischen sich die
Grenzziehungen zwischen eigener und angenommener Identität. Dies gilt es zu
klären und sichtbar werden zu lassen. Erst dann ist eine Hinterfragung möglich.
Folgen
Zielformulierungen
und vergleichbare, angestrebte Ergebnisse widersprechen dem Spiel. Selbst- und
Fremderfahrung, Fakten und Informationen, Widersprüchlichkeiten und viele neue
Fragen und Anregungen – mitgenommen wird das gerade individuell Angemessene und
Notwendige.
Das Spiel
Die
TeilnehmerInnen schlüpfen für drei Stunden in die Rolle des Flüchtlings, der
SachbearbeiterIn, der EinzelentscheiderIn und der SicherheitsbeamtIn.
Rollenvorgaben und Ereigniskarten bestimmen den Spielverlauf.
In
den Gesprächsrunden/Arbeitsgruppen geht
es um Fragen der Selbsterfahrung und um die Vermittlung realer
Hintergrundinformationen aus den Bereichen Flucht und Asyl.
MitarbeiterInnen
der unterschiedlichsten Organisationen und Institutionen, die sich täglich in
diesen Arbeitsfeldern bewegen, stehen anschließend für Diskussionen zur
Verfügung.
Das
Angebot richtet sich an Menschen ab 14 Jahren. Die Gruppe besteht maximal aus
16 Personen. Die Spielleitung übernehmen in der Regel 3 Personen. Das Projekt läuft über 3 Tage mit maximal je
5 Stunden.
Spielregeln
1. Die
Rollen werden nach dem Zufallsprinzip verteilt.
2. Die
Rollenvorgaben sind verbindlich.
3. Ein
Wechsel der Rollen während des Spiels ist nicht möglich.
4. Das
eigene Spiel kann zu jedem Zeitpunkt durch die TeilnehmerIn abgebrochen werden.
Erfahrungen
Das
Spiel entwickelte sich aus der Arbeit an der interaktiven Ausstellung
„Unerwünscht – eine Reise wie keine andere“ und übernimmt von dort die
unterschiedlichen Rollenvorgaben und das pädagogische Grundkonzept. Von vielen
Schulklassen, die die Ausstellung besucht hatten, wurde der Wunsch geäußert,
die gemachten Erfahrungen im Rahmen von Projekttagen zu vertiefen bzw. auch
anderen SchülerInnen zugänglich zu machen.
Beispiel
(Auszüge): Projekttage an einem Gymnasium im Vordertaunus mit einer Gruppe von
17 SchülerInnen in der Altersgruppe von 14 – 17 Jahren. Entgegen der Vorgabe
hatte sich die Mehrzahl der SchülerInnen nicht freiwillig für die Teilnahme
gemeldet, sondern war aufgrund der Überfüllung der eigentlich gewünschten
Projektkurse unserem Angebot ohne Widerspruchsmöglichkeit zugeteilt worden. Die
Motivation und das Interesse an der Thematik waren somit am Anfang nicht sehr
groß. Die Einstiegsphase mit Aufwärmübungen und Vorstellungsrunde wurde deshalb
verlängert und die Fragen der SchülerInnen zur „Mit- und Selbstbestimmung bei
schulischen Aktionen“ und der Formulierung und Durchsetzung eigener Interessen
in demokratischen Formen zogen sich wie ein roter Faden durch die gesamten
Projekttage und ermöglichte vielfältige Anknüpfungspunkte an das eigentliche
Thema.
Die
Zuteilung der Rollen wurde ohne Widerspruch hingenommen. Schon nach kurzer Zeit
wurden die knappen Rollenvorgaben mit den jeweiligen eigenen Vorstellungen und
Stereotypen gefüllt und erweitert. Die Folge:
Das Spiel wurde schnell, hart und laut. Durch die Ereigniskarten (z.B. nur noch eine bestimmte Anzahl von
positiven Asylentscheidungen sind erwünscht; Personal begibt sich auf
Fortbildungskurse; die Umverteilung in andere Erstaufnahmeeinrichtungen
entspricht nicht dem Wunsch eines Flüchtlings; die medizinische Versorgung ist
unzureichend; u.v.m.) wurde der Streßfaktor kontinuierlich erhöht. Trotzdem
stieg niemand aus dem Spiel aus. Nach dem Spielende waren alle erschöpft.
In
den Nachbereitungsrunden (auch in Kleingruppen) wurden dann die einzelnen
Spielsequenzen und die Erfahrungen der TeilnehmerInnen intensiv durchgearbeitet. Dabei ging es vor allem um
die subjektiven Erfahrungen und Eindrücke während des Spiels und nicht um die Überprüfung des Realitätsbezuges der
jeweiligen Situationen. Diese Phase war für viele TeilnehmerInnen emotional
sehr belastend, da sie sich „auf Rolle“ oft nicht entsprechend ihren eigenen
Wertvorstellungen (ihres Selbstbildes) verhalten hatten. Gefühle der Scham und des Entsetzens brachen
auf. Eine Gratwanderung, die viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl von der
Gruppenleitung verlangte. So erschien es
hier zwischendurch angebracht, für ein kurzes Volleyspiel die Räume zu
verlassen.
Auffallend
und nicht im Widerspruch zu unseren bisherigen Erfahrungen standen die
„inhaltlichen“ Ergebnisse des Rollenspiels: Alle Flüchtlinge aus Kriegs- und
Bürgerkriegssituationen hatten einen positiven Asylbescheid bekommen. Auch in
dem folgenden theoretischen Teil stießen wir wieder auf die klare und
überwiegende Aussage: Ich würde meine Heimat bei Krieg und Bürgerkrieg sofort
verlassen und Flüchtlinge mit dieser Fluchtursache bekommen ohne wenn und aber
und immer Asyl. Grundlagenkenntnisse des Asylrechts waren auch hier nicht mal
in Ansätzen anzutreffen. Die klar strukturierten und auf das wesentliche
begrenzten Sachinformationen bildeten die Grundlage für eine intensive
Diskussionsphase.
Wir
waren wie immer überrascht: Nach der emotionalen Intensität des Rollenspiels
war das Bedürfnis nach wertfreien Informationen riesig und die Aufmerksamkeit
und Konzentration erheblich erhöht. In den abschließenden Gesprächsrunden mit
zwei Vertretern aus Nichtregierungsorganisationen konnten wir feststellen, dass
sich Fragestellungen und Argumentationsweisen an den Erfahrungen und den
Informationen der vorangegangenen Tage orientierten.
Leider
ist es uns bisher aus organisatorischen Gründen nicht gelungen, VertreterInnen
vom Bundesministerium oder ähnlicher Stellen für das Projekt zu gewinnen. Wir
denken, dass dies für beide Seiten eine Bereicherung wäre.
Ausführlichere
Informationen und Buchungsmöglichkeiten können angefordert werden bei
Heidrun
Müller
Wilhelmstraße
17
63543
Neuberg
Tel.:
017647578815
Für Vor- und GrundschülerInnen
Aus den Unterrichtsmaterialien
Für Vor- und GrundschülerInnen
Im Rahmen der wunderbaren
interaktiven Ausstellung „Unerwünscht – eine Reise wie keine andere“ (1999) war
ich als pädagogische Leitung unter anderem für die Erstellung der
Unterrichtsmaterialien zuständig. Dabei entstand auch ein Kinderbuch, mit dem
ich danach sehr viel in (Grund) Schulen, mit Rahmenkonzept für
Unterrichtseinheiten, unterwegs war. Dann dachte ich, ich bräuchte das nicht
mehr. Was für ein Irrtum. Nun bekomme ich wieder Anfragen. Leider gibt es das
Buch kaum noch auf dem regulären Buchmarkt, dafür recht günstig durch andere
Anbieter. Ich weise hier einfach mal drauf hin, weil ich es immer noch mag und
gerne mit ihm arbeite.
Kim ist meine Freundin - Ein
Bilderbuch
Heidrun Müller
Vorwort von Heiko Kauffmann
Brandes & Apsel ISBN
3-86099-180-9
1999
Aus dem Inhalt:
Ein Bilderbuch über Verfolgung und Flucht und die sich entwickelnde
Freundschaft zwischen einem Flüchtlingsjungen und einem einheimischen Mädchen.
Mit Hinweisen und Anregungen für Erwachsene. Geeignet für die pädagogische
Arbeit mit Kindern ab dem Vor-/Grundschulalter zum Thema Flucht und Asyl.
"Jules lebt in einer großen Stadt. Eines Nachts holen Soldaten
seinen Vater und Großvater ab. Später ist auch sein Bruder verschwunden. Jules
hat Angst, doch die Erwachsenen antworten nicht auf seine Fragen. Einige Zeit
später durchsuchen uniformierte Männer erneut das Haus. Am nächsten Tag
verlassen Jules und seine Mutter das Land. Jules beschließt zu schweigen. Er
lebt jetzt in dem neuen Land in einem Haus mit vielen Wohnungen und geht in die
Schule. Dort lernt er Kim, ein einheimisches Mädchen, kennen. Auch Kim redet
mit niemandem, wenn auch aus anderen Gründen als Jules. Doch die beiden kommen
sich näher. Und eines Tages finden sie ihre Träume wieder…"
Die Autorin hat sich bewusst dafür entschieden die Illustrationen nur
durch Farbspiele zu gestalten. So bleibt offener Raum für eigene Phantasien und
Bilder.
Ausführlichere
Informationen und Buchungsmöglichkeiten für Projekttage oder Lesungen können
angefordert werden bei
Heidrun Müller
Wilhelmstraße 17
63543 Neuberg
Tel.: 017647578815
Aus den Unterrichtsmaterialien
Flüchtling? Was ist denn das?
Frau Knolle-Schneider hatte es schon
vor ein paar Tagen im Morgenkreis angekündigt. Es kommt eine neue Schülerin in
die Klasse. Alle Kinder sind sehr aufgeregt. Es ist immer aufregend, wenn ein
neues Kind in die Klasse kommt. Diesmal hat Frau Knolle-Schneider jedoch einen
richtigen Vortrag gehalten: Mariam, so heiße die Neue, sei erst seit kurzer
Zeit in Deutschland und alle sollen doch bitte besonders nett und freundlich zu
ihr sein!
„Wieso eigentlich?“, fragte sich Julia. „Wir kennen sie doch noch gar
nicht? Vielleicht ist sie ja eine blöde Kuh und zickig?“
Und dann musste sich Sebastian, ihr bester Freund, auch noch an einen
anderen Tisch setzen. Die Neue soll nämlich neben ihr sitzen. Weil diese
Tischgruppe ganz vorne steht und überhaupt. Julia war richtig sauer.
Gestern in der Pause haben deshalb sie und ihre Freundinnen beschlossen,
mit der Freundlichkeit etwas abzuwarten. Vanessa meinte: „Ich bin doch nicht
nett zu jemanden, den ich nicht kenne. Also, die will ich erst mal sehen.
Vielleicht ist sie ja ganz anders als wir und dann ... “ Alle stimmten ihr zu.
Nur Kim sagte nichts. Aber sie sprach eh nicht sehr viel. Sie ist selbst erst
seit drei Monaten in der Klasse. Sie dachte nur: „Ob die über mich vorher auch
so gesprochen haben?“
Und jetzt ist es so weit. Es hat schon
geklingelt und Frau Knolle-Schneider muss gleich kommen. Da ist sie, und neben
ihr steht die Neue.
„Guten Morgen, Kinder! Das hier ist Mariam, eure neue Mitschülerin.
Mariam, am besten setzt du dich gleich hier vorne neben Julia. So, und jetzt
lasst uns anfangen.“
Bis zur Pause dauert es ewig. Julia schaut manchmal zu Mariam rüber.
Natürlich kann sie sich noch nicht am Unterricht beteiligen. Aber Julia merkt,
dass Mariam versucht, ihr alles nach zu machen.
Zwischendurch hat die Lehrerin Mariam einige Bücher und Hefte gegeben.
Die hat sie in ihren Ranzen gepackt. Ihr Mäppchen liegt auf dem Tisch. Es sieht
neu aus, aber es ist nicht anders als alle anderen Mäppchen. Überhaupt unterscheidet
sich die Neue so gar nicht von den anderen Kindern. Irgendwie ist Julia ein
bisschen enttäuscht.
In der Pause drängen sich alle Kinder um Mariam. Sie bombardieren sie
mit Fragen. "Woher kommst du? Wo wohnst du? Hast du Geschwister? Was
machen deine Eltern? Wo warst du vorher in der Schule? …"
Moritz und Christian fangen an zu
schubsen und Daniel stößt Felix gegen Mariam. Mariam bekommt einen roten Kopf.
Sie rennt nicht weg. Aber sie sagt auch nichts. Auf einmal rollen ihr dicke
Tränen über die Wangen.
Julia hält es einfach nicht mehr aus. Sie schreit die anderen Kinder an:
"Jetzt lasst sie doch endlich in Ruhe!"
Dann schnappt sie Mariam am Arm und zieht sie mit sich fort.
"Hey, lass dich nicht ärgern von denen. Die sind nur neugierig. Und
die Jungs sind eh doof. Komm, ich zeig dir den Schulhof und wo die Klos
sind."
Julia nimmt Mariam an die Hand. Trude und Irma kommen auch angerannt.
Gemeinsam machen sie einen Rundgang durch den Hof.
Nach der Pause, beim Hochgehen in den Klassenraum, sagt Mariam ganz
leise: "Ich heiße Mariam."
Julia, Trude und Irma lachen: "Wow, sie kann sprechen!"
Kichernd gehen sie zusammen in die Klasse.
Irgendwo ganz neu zu
sein, dass ist schwer und
macht manchmal ganz
schön Angst.
Kennst du solche
Situationen? Erzähl doch mal!
Feueralarm
Heute soll in der Schule geprobt
werden, wie man sich richtig verhält wenn es brennt. Die Kinder kennen das
schon. Eine Sirene wird ertönen und dann sollen sie ruhig und zügig in
Zweierreihen in den Schulhof gehen. Alle finden das lustig und es macht viel
mehr Spaß als Matheunterricht.
Sie warten gespannt auf die Sirene. Jetzt geht sie los. Die Kinder
springen von den Stühlen und stürmen zur Tür. Frau Knolle-Schneider benutzt
ihre Trillerpfeife und versucht etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. Niemand
achtet auf Mariam. Die sitzt mit weit aufgerissenen Augen auf ihrem Stuhl.
Die Sirene jault und jault, die Kinder schubsen und drängeln an der Tür,
die Trillerpfeife schrillt durch den Raum und Mariam… Mariam öffnet den Mund
und schreit und schreit und schreit. Sie hält sich die Ohren zu und schmeißt
sich auf die Erde und schreit immer weiter. Sie hört überhaupt nicht auf. Die
Kinder schauen sie entsetzt an und Frau Knolle-Schneider stürzt auf Mariam zu.
"Mariam, Mariam, hör auf! Hör auf mit dem Schreien! Was ist denn
los?"
Mariam hört nicht auf. Frau Knolle-Schneider nimmt sie auf den Arm und
trägt sie aus der Klasse.
"Ihr bleibt hier und verhaltet euch ruhig. Ich bin gleich wieder
da."
An die Feueralarmübung denkt jetzt
niemand mehr. Die Kinder schauen sich betreten an.
"Was war denn das? Was ist los mit Mariam?"
Es ist ganz leise in der Klasse. Nach einer Weile kommt Frau
Knolle-Schneider zurück. Sie ist alleine.
"Mariam wird jetzt von ihrer Mutter abgeholt. Sie kommt heute nicht
mehr in den Unterricht. Und ihr setzt euch mal hier in den Kreis."
Als sich alle hingesetzt haben, beginnt die Lehrerin: "Also wisst
ihr, ich glaube Mariam hat sich ganz furchtbar erschreckt. Die Sirene und das
ganze Tohuwabohu haben ihr Angst gemacht. Mariam kommt nämlich aus einem Land,
in dem es Krieg gibt. Ihr Vater und ihr Bruder sind dort gestorben. Sie ist mit
ihrer Mutter hierher geflohen und hat Asyl beantragt."
Die Kinder schauen sich an. Dann reden alle durcheinander.
"Richtiger Krieg, mit Soldaten, Bomben und so?"
"Wieso gestorben?"
"Warum musste sie fliehen?"
"Ist sie ganz alleine mit ihrer Mutter?"
"Was ist mit ihrer Familie?"
"Was ist denn Asyl?"
"Wie ist sie denn hierher gekommen?"
"Kann sie wieder nach Hause gehen?"
"Was bedeutet das alles und warum schreit sie dann so?"
"Warum haben Sie uns vorher davon nichts erzählt?".
Frau Knolle-Schneider beruhigt die
Kinder und sagt:
"So, also, wisst ihr, eigentlich kann ich viele eurer Fragen nicht
so schnell beantworten. Vielleicht sollten wir es jetzt dabei bewenden lassen,
dass die ganze Situation Mariam Angst gemacht hat. Wenn sie wiederkommt,
solltet ihr sie nicht bedrängen. Ich werde über alles nachdenken und mich mit
euren Fragen beschäftigen. Vielleicht sollten wir zu dem Thema Flucht und Asyl
ein kleines Projekt machen. Dann können wir gemeinsam die Antworten auf unsere
Fragen finden."
Die Kinder sind damit nicht ganz zufrieden, aber sie stimmen zu.
Nach der Schule gibt es natürlich nur ein Thema. Die Kinder bleiben noch
eine Weile zusammen auf dem Schulhof stehen und sprechen miteinander.
"Arme Mariam, deshalb ist sie immer so still und traurig"
meint Tobias.
"Meine Oma hat auch schon davon erzählt, dass im Krieg immer die
Sirenen geheult haben und sie dann mit Mama in den Keller geflüchtet ist."
Sebastian liebt seine Oma sehr und mag besonders die alten Geschichten, die sie
immer und immer wieder erzählt.
"Ja, und überhaupt hätte die Knolle-Schneider uns ja auch vorher
mehr darüber sagen können. Dann hätten wir Mariam vielleicht helfen
können." Julia ist empört.
"Wie hättest du ihr denn helfen wollen?" fragt Irma. "Die
Mariam hat ja auch nichts gesagt."
"Jules ist auch aus seinem Land geflohen." Kim ist stinkig.
Bisher hat sich keines der Kinder für Jules` Geschichte interessiert.
"Ja, aber der hat sich auch nicht so verhalten wie Mariam".
"Und Elena kommt auch aus einem Land, in dem es Krieg gab."
"Ein Freund von meinem Bruder ist schon mal für zwei Wochen von
zuhause abgehauen."
"In dem neuen Action Film gibt es auch Krieg." sagt Moritz. Er
ist immer bestens informiert und hat einen eigenen PC.
"Ich finde es auf alle Fälle prima von der Knolle-Schneider, dass
sie zugibt, dass sie auch nicht alles weiß." sagt Trude und damit
verabschieden sich die Kinder bis zum nächsten Schultag.
Manchmal gibt es Geräusche,
Bilder, Farben, Worte… die erinnern dich vielleicht an ein schreckliches Erlebnis.
Kennst du das auch?
Oft hilft es, wenn du
mit jemanden darüber sprechen kannst. Mit jemand, der dich gern hat und dich
versteht.
Oder du schreibst es
auf. Oder du malst ein Bild von den Dingen, die dir Angst machen.
Wenn das aber alles
nicht hilft, dann musst du einfach ganz laut schreien! So laut, dass alle dich
hören.
Das Projekt
1.Tag
Die Projektwoche beginnt. Das Thema
ist: Flucht und Asyl. Alle Kinder sind sehr gespannt. Am Freitag haben sie
schon ausführlich darüber gesprochen, wie diese Tage ablaufen sollen. Jeden
Morgen wird Frau Knolle-Schneider eine Frage stellen. Dazu gibt es dann
Aufgaben und Aktionen. Die sollen dabei helfen, die Frage bis zum Ende des
Unterrichts zu beantworten. Am Schluss sollen dann die Ergebnisse im Flur aufgehängt
werden. Damit alle Kinder etwas davon haben. Und vielleicht gibt es dann sogar
ein Flurfest.
Heute lautet die Frage:
Was
brauchen Menschen zum Leben?
Frau Knolle-Schneider hat einen ganzen
Packen großes Papier mitgebracht und viele bunte, dicke Filzstifte. Alle Tische
und Stühle sind an die Seite geschoben worden. Jedes Kind nimmt sich einen
Bogen Papier und einen Stift. Sie sollen aufschreiben oder zeichnen, was ihnen
zu der Frage einfällt.
Was brauchst du
unbedingt zum Leben?
Überlege es dir genau.
Es gibt viele Dinge, die erscheinen dir vielleicht auf den ersten Blick
besonders wichtig.
Auf viele dieser Dinge
könntest du nur schwer verzichten.
Aber, könntest du
wirklich nicht auch ohne sie leben?
Und wenn du genau
nachdenkst, gibt es nicht auch Sachen, die du unbedingt zum Leben brauchst, die
du gar nicht so richtig anfassen kannst. Sachen, die man nicht in einem
Geschäft kaufen kann, die aber zum Leben sehr wichtig sind.
Also, gut nachgedacht: Was brauchst du wirklich?
Und schon liegen oder sitzen alle
Kinder auf dem Boden und fangen an zu arbeiten.
"Also, ich brauche zum Leben unbedingt meine Playstation."
meint Sebastian.
"Und ich mein Skatboard und meine Pokemon-Karten" tönt Daniel.
"Ihr spinnt doch! Das ist doch wieder typisch! Ihr habt überhaupt
nichts kapiert." Irma fasst sich an den Kopf.
"Es geht doch darum, was ein Mensch unbedingt braucht. Ohne das er
wirklich, wirklich nicht leben kann."
"Genau!" mischt sich Sebastian ein. Ein Mensch kann zum
Beispiel ohne Essen nicht lange überleben."
"Oder ohne Trinken." Julia schreibt schnell das Wort auf ihr
Blatt.
"Also, ich brauche meine Eltern, weil ohne die, da geht es mir gar
nicht gut." Daniel liebt seine Eltern sehr.
"Ja, aber wenn du größer bist, dann kannst du auch ganz gut ohne
sie leben." Katharina fühlt sich schon sehr erwachsen.
"Dann brauchst du aber Freunde. Ohne Freunde geht gar nichts.
Alleine kann niemand leben. Deshalb haben wir ja auch zwei Katzen. Damit die
nicht alleine bleiben, wenn wir nicht zuhause sind." Trude ist sich da
sehr sicher.
"Du und deine Katzen!" Trotzdem schreibt Vanessa schnell das
Wort "Freunde" auf ihr Blatt.
Bald sind alle mit der Aufgabe fertig. Sie hängen die Blätter an die
eine Wand des Klassenraumes. Nachdem Stühle und Tische wieder an ihrem Platz
stehen, besprechen sie ihre Ergebnisse.
"Wisst ihr was, vieles von dem, was wir dringend zum Leben
brauchen, kennen wir doch schon aus dem letzten Schuljahr." Frau
Knolle-Schneider schaut die Kinder fragend an.
"Klar, „ sagt Samir, "das sind doch
fast alles Kinderrechte oder
besser die Rechte von allen Menschen!"
"Genau, jeder Mensch hat das Recht auf
Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, Liebe und Freizeit."
Trude ist sich mal wieder ganz sicher. Dieser Unterricht im letzten Jahr hat
ihr sehr gut gefallen. Und sie erinnert sich noch genau an den Stunk zuhause.
Ihre Mutter fand es nämlich gar nicht lustig, dass Trude jetzt immer von ihren
Rechten sprach. Besonders dann nicht, wenn es darum ging, wer jetzt endlich mal
das Bad aufräumen sollte.
"Prima, dann haben wir ja die erste Frage beantwortet: Was brauchen
Menschen zum Leben? Sie brauchen ihre Menschenrechte." Sebastian hat aber
auch fast immer das letzte Wort.
2.
Tag
Heute geht die Klasse in der ersten
Stunde in den Filmraum. Das finden alle prima. Film oder Video gucken, dass
macht Spaß.
"Hoffentlich ist es ein spannender Film", sagt Moritz.
"Nein, glaube ich nicht. Richtig tolle Filme gibt es nur im
Kino", meint Elena. Sie liebt Kinofilme.
"Seid doch nicht blöd, es ist ein Videofilm. Frau Knolle-Schneider
hat es doch schon gesagt. Und in der Schule gibt es überhaupt keine spannenden
Filme." Katharina ist heute wirklich mies drauf.
Alle setzen sich und es geht los. In dem Film erzählen einige Kinder
über ihr Leben, ihre Wünsche und über ihre Träume.
Es sind ganz besondere Geschichten.
Alle diese Kinder mussten nämlich ihr Land aus den unterschiedlichsten Gründen
verlassen. Sie leben jetzt an Orten, die ihnen fremd sind.
Dieser Film passt genau zur heutigen
Frage:
Warum
müssen Menschen aus ihrer Heimat fliehen?
Am Anfang ist es noch ganz schön
unruhig im Filmraum. Alle flüstern und rutschen auf ihren Stühlen hin und her.
Doch dann wird es immer leiser. Dieser Film ist spannend!
Niemand verlässt seine Heimat, sein Land ohne einen wichtigen Grund.
Was könnten das für Gründe sein?
Frag doch auch mal deine Eltern oder deine
Freunde. Vielleicht bekommst du ganz spannende Geschichten erzählt.
Wieder im Klassenraum sprechen die
Kinder in ihren Tischgruppen über den Film.
"Eigentlich war das ein sehr trauriger Film. Die Kinder tun mir
leid. Immer nur Krieg und Krieg und Krieg. Und da, wo sie jetzt sind, da geht
es ihnen auch nicht so gut." Julia schnuffelt.
"Hey, du weinst doch nicht etwa?" Irma schaut Julia entsetzt
an.
"Nein, natürlich nicht! Aber, immer nur Heimweh haben! Und John´s
Vater musste in Kenia bleiben. Die Erwachsenen sind doch echt doof. Sie denken
überhaupt nicht an die Kinder. Kinder führen doch keine Kriege und am Hunger
sind sie auch nicht schuld. Aber den Kindern tut es weh."
"Ja, aber eigentlich waren sie nicht nur traurig im Film. Zum
Beispiel die Jungs im Flüchtlingslager, dass war super, wie die aus dem
Gummihandschuh und der Kordel einen Fußball gemacht haben. Und Nina hat auch
schon eine neue Freundin gefunden. Und die Mädchen in Thailand haben genauso
gespielt wie wir." Irma ist ganz aufgeregt.
"Es gibt nicht nur Krieg und Hunger", mischt sich Felix ein.
"Im Fernseher habe ich gesehen, dass es in irgendeinem Land seit Wochen
regnet und alle Menschen müssen abhauen, weil die ganze Stadt unter Wasser
steht. Und mein Vater sagt, früher mussten die Leute aus Deutschland
verschwinden, weil ihre Bücher verboten waren."
Mariam hat noch gar nichts gesagt. Trude schaut sie an.
"Mariam, bist du auch ein
Flüchtling?"
"Ja, bin ich. Aber ich will jetzt nicht darüber reden."
"Ist ja schon gut, aber irgendwann musst du uns mehr darüber
erzählen."
"Vielleicht Morgen!" Mariam lächelt.
An der anderen Tischgruppe wird es lauter.
"Das war doch kein Campingplatz! John lebt in einem
Flüchtlingslager."
"Da waren aber lauter Zelte. Genau wie auf dem Campingplatz in
unserem letzten Urlaub."
"Oh Mann, natürlich waren da Zelte. Die können doch für so viele
Leute nicht auf die Schnelle Häuser bauen."
Sebastian und Tobias streiten sich immer heftiger.
"Hört doch auf, ich habe auch in so einem Lager gewohnt. Es gibt
Tausende von Zelten dort. Und das hat gar nichts mit Urlaub zu tun. Es ist
furchtbar, kalt und nass und schmutzig. Ihr habt überhaupt keine Ahnung!"
Elena ist aufgesprungen. Die Jungs sehen sich erstaunt an.
"Das haben wir gar nicht gewusst. Du warst auch in einem
Flüchtlingslager? Erzähl doch mal." Sebastian ist jetzt richtig neugierig.
"Na ja, in meinem Land war Krieg und dann mussten wir unsere Stadt
verlassen. Zusammen mit einer Menge anderer Leute. Und bevor wir nach
Deutschland kamen, haben wir halt in dem Flüchtlingslager gewohnt. Das war
nicht lustig. So viele Menschen und eine Schule gab es da auch nicht. Aber wir
sind dann schnell hierher gekommen. Weil meine Tante und mein Onkel wohnen auch
hier. Und jetzt leben wir hier. Und zurück will ich auch nicht. Weil dort, da
ist alles kaputt. Und das war es schon."
Elena setzt sich hin und fängt an zu schreiben. Die Jungs trauen sich
nicht weiter zu fragen. Aber ihren Streit haben sie vergessen.
Frau Knolle-Schneider verteilt bunte
leere Karten. Die Kinder sollen auf jede Karte ein Bild malen. Das Bild soll
jeweils eine Ursache für die Flucht von Menschen aus ihrem Land darstellen. Es
können natürlich von jedem Kind mehrere Karten ausgefüllt werden.
Da kommt eine ganze Menge zusammen. Vanessa und Daniel sammeln die
Karten ein und Samir und Tobias heften sie mit Klebestreifen an die Tafel. Sie
achten darauf, dass sie schon etwas geordnet sind. Dabei stellen sie fest, dass
sich vier große Gruppen bilden lassen. Sie diskutieren noch eine Weile und mit
Hilfe von Frau Knolle-Schneider formulieren sie die Antwort auf die Tagesfrage:
Menschen fliehen wegen
Krieg, Armut, Verfolgung und Umweltzerstörung.
Alle sind mit ihrer Arbeit sehr
zufrieden.
3.
Tag
Heute fasst Frau Knolle-Schneider im
Morgenkreis noch einmal die Ergebnisse der letzten beiden Tage zusammen: „Alle
Menschen brauchen die gleichen grundlegenden Dinge zum Leben. Sie brauchen zum
Beispiel Nahrung, ein Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung, Bildung,
Arbeit, Frieden und Sicherheit. Ein anderes Wort für brauchen
ist bedürfen. Deshalb sprechen wir auch von
den Grundbedürfnissen der Menschen.
Jeder Mensch hat das Recht auf die Erfüllung dieser
Grundbedürfnisse.
Können diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, dann
verlassen Menschen ihre Heimat. Sie versuchen woanders die Dinge zu finden, die
sie zum Leben brauchen. Diese Wanderungen der Menschen, auf der Suche nach
Nahrung, Wasser, Arbeit und Sicherheit, gab es schon immer. Das Wort dafür ist
Auswanderung oder Migration.“
„Ja, wie Feivel,
der Mauswanderer!“, ruft Felix.
„Genau und der war
auch ein Flüchtling“, ergänzt Tobias.
„Nein, das stimmt
nicht so ganz“, sagt Frau Knolle-Schneider, „nicht jeder Mensch, der seine
Heimat verlässt, ist automatisch ein Flüchtling.“
„Jetzt verstehe
ich gar nichts mehr!“ Julia ist verwirrt.
„Mein Vater ist
nach Deutschland gekommen“, sagt Samir, „weil er von einer Firma ein sehr gutes
Arbeitsangebot bekommen hat. Er hat sein Land verlassen, weil er hier mehr
verdient und die Arbeit interessanter ist. Er ist bestimmt kein Flüchtling.“
„Meine Mutter ist
mit mir nach Deutschland gekommen, weil wir in unserem Land nicht mehr leben
konnten. Es war zu gefährlich. Wir hatten Angst um unser Leben und wussten
nicht, wohin wir sonst gehen sollten.“ Jules spricht ganz leise und schaut
dabei Kim an. Sie lächelt ihm aufmunternd zu.
„Der Bruder meiner
Mutter lebt auch schon lange in einem anderen Land“, sagt Trude. „Er ist nach
Amerika gegangen. Seine Frau ist Amerikanerin. Meine Mutter meint, er habe
schon immer davon geträumt, ein eigenes Geschäft aufzumachen. Und hier hätte er
das nie geschafft. Jetzt hat er zwei Restaurants.“
„Wir haben unser
Land verlassen, weil es bei uns Krieg gab. Unser Haus und unsere Stadt wurden
von den Bomben zerstört.“ Elena ist traurig und Irma legt ihren Arm um sie.
Frau Knolle-Schneider schreibt an die Tafel:
Wer
ist ein Flüchtling?
„Das ist unsere heutige Frage. Überlegt euch mal, was ihr
gerade gehört habt:
Samirs Vater hat ein
Angebot für eine bessere Arbeit bekommen.
Jules und seine Mutter
hatten Angst um ihr Leben.
Der Bruder von Trudes
Mutter hat in Amerika geheiratet.
Im Heimatland von Elena
gab es Krieg.
Alle diese Menschen
haben ihr Land verlassen.
Dafür hatten sie ganz
unterschiedliche Gründe.
Hätten sie sich auch
anders entscheiden können?
Was wäre ihnen dann
passiert?
Wer von
ihnen ist ein Flüchtling?
„Die sind alle
Flüchtlinge, weil sie ja ihr Land verlassen mussten“, sagt Sebastian.
„Nein, so stimmt
das nicht.“, erwidert Tobias. „Nur Jules und Elena mussten ihr Land verlassen. Samirs Vater und der Bruder von Trudes
Mutter sind freiwillig gegangen. Sie hätten auch in ihrem Land bleiben können.
Vielleicht wäre es ihnen dann nicht so gut gegangen, aber sie hätten in ihrem
Land doch auch ganz gut leben können.“
„Genau!“, ruft
Julia, „die Einen mussten fliehen und die Anderen sind gewandert.“
„Ausgewandert“,
verbessert Frau Knolle-Schneider „oder emigriert.
„Das Wandern ist des Müllers Lust, das Wandern ist des
Müllers Lust, das Waaandern…“, trällert Sebastian.
„Auswandern tun
sie eigentlich ja alle.“ Julia denkt angestrengt nach. „Aber einige tun es
freiwillig und andere nicht.“
„Ich habe es!“,
ruft Kim. „Flüchtlinge sind Menschen, die sich nicht anders entscheiden können.
Sie müssen fliehen, wenn sie ihr Leben retten wollen.“
„Tod oder Leben!“,
brüllt Felix und springt auf. Er sieht eindeutig zu viele Videofilme.
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