AfD-Wähler würden laut Studie am stärksten unter AfD-Politik leiden
Laut Umfragen würden 20 Prozent der Befragten aktuell ihr
Kreuz bei der AfD setzen. Eine Studie hat nun die Agenda der Partei mit den
Bedürfnissen der Unterstützer verglichen – und eine große Kluft ausgemacht.
Spiegel online, 21.08.2023, 17.45 Uhr
»Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl
wäre?« – Die Antwort auf diese Frage lautet aktuellen Umfragen zufolge bei
einem Fünftel der befragten Deutschen: Alternative für Deutschland (AfD). Eine
neue Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt nun allerdings
fest: Die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wählerinnen und
Wähler.
Für die Studie wurden die einzelnen Einstellungen der Partei
im von der Bundeszentrale für politische Bildung angegebenen Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl 2021 mit den Anliegen
der Unterstützerinnen und Unterstützer verglichen. Das Ergebnis: ein
»bemerkenswertes Paradox«. Demnach würden die Unterstützerinnen und
Unterstützer der AfD in fast allen politischen Bereichen unter der Politik der
Partei leiden: sowohl hinsichtlich Wirtschaft und Steuern, als auch beim
Klimaschutz, der sozialen Absicherung, ebenso bei Demokratie und
Globalisierung.
Die Analyse zeige etwa, dass die AfD für eine »extrem
neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik« stehe, da sie etwa die Rolle des
Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern wolle. In der Sozialpolitik
wünsche sich keine Partei stärkere Einschnitte, schreibt Studienmacher Marcel
Fratzscher auch auf X, ehemals Twitter. Daneben zeige sich aber, dass
AfD-Wählerinnen und Wähler oft eine geringere soziale Teilhabe besitzen, ihr
Einkommen und ihre Bildung eher gering bis mittelhoch seien.
Das DIW hält fest: »Würde sich die AfD-Politik durchsetzen,
käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von
AfD-Wähler*innen hin zu den Wähler*innen anderer Parteien.«
Bei der Klimapolitik gebe es zudem keine Partei, die
Maßnahmen systematischer ablehne, so Fratzscher. Außerdem unterscheide sich die
Partei in der Gesellschaftspolitik von allen anderen Parteien im Bundestag am
stärksten, indem sie Rechte und Freiheiten vor allem für Minderheiten
beschneiden wolle. Darüber hinaus wolle sie als einzige Partei die Europäische
Union (EU) abschaffen oder massiv beschneiden.
»Wie kann es sein, dass ein Fünftel der Bürger*innen die
Politik einer Partei unterstützt, die stark dem eigenen Wohlergehen und den
eigenen Interessen zuwiderläuft?«, fragt Fratzscher auf X. Das liege, so seine
Studie, etwa an einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Anhängerinnen und
Anhänger als auch an einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität.
Viele der AfD-Wählerinnen und Wähler würden nicht
realisieren, dass sie selbst stark negativ von einer »Politik der
Diskriminierung und Ausgrenzung« betroffen wären: »So wären vor allem
AfD-Wähler*innen von Arbeitsplatzverlusten, einer schlechteren Infrastruktur
und weniger Leistungen, einer Schwächung der Europäischen Union oder
Steuersenkungen für Spitzenverdiener*innen stark negativ betroffen«, heißt es
in der Studie.
Auf gesellschaftlicher Ebene sehe die falsche Einschätzung
der AfD-Unterstützerinnen und Unterstützer demnach folgendermaßen aus: »Nicht
wenige AfD-Wähler*innen sind überzeugt, dass eine Rückabwicklung der
Globalisierung, ein erstarkender Nationalismus sowie eine neoliberale
Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ihnen persönlich bessere Arbeitsplätze,
mehr Sicherheit und bessere Chancen verschaffen würden. Dabei würde genau das
Gegenteil passieren.«
Spiegel online, 21.08.2023, 17.45 Uhr
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