Sippenhaftung

„Gestern Abend im "Hexenkessel" in Langenselbold. Tisch war reserviert. Bevor wir noch die Getränke bestellen konnten, kam die Besitzerin an den Tisch und meinte, wir sollten bitte gehen. Begründung: Sie wolle keine Zigeuner in ihrem Lokal. Sie habe schlechte Erfahrungen mit solchen Leuten und könne uns ihren anderen Gästen nicht zumuten.“

Ich nenne das Rassismus.

Sippenhaftung. Irgendwie dachte ich, das sei Geschichte. Ich habe das vor vierzig Jahren erlebt, als ich den Vater meiner Kinder heiratete. Es ist Iraner und es war oft ein Spießrutenlaufen. Es schien mir mit den Jahren besser geworden zu sein. Nun, ich habe mich wohl geirrt. Es war anscheinend nur ein Luftholen. ... Luftholen. Genau, dir bleibt die Luft im Hals stecken vor Empörung. Und da ist dann so ein Gefühlgemisch aus Wut, Verständnislosigkeit und ... Scham ... Wieso eigentlich Scham? Demütigung, irgendwie erzeugt Demütigung auch Scham. Was für ein widerliches Gemisch. Wie müssen sich Menschen fühlen, denen das Tag für Tag immer wieder geschieht?

Traurig machte mich der Kommentar des Freundes: "Ach komm, das erlebe ich laufend." Und dann tat er so, als würde es ihn nicht jucken, weil es ja alltäglich ist. ... Leute, das macht etwas mit einem, das steckt man nicht einfach weg. Da bist du ordentlich, arbeitest, bist freundlich, hilfsbereit und bürgerlich engagiert, deine Familie lebt seit mehr als hundert Jahren hier und dann bekommst laufend eines in die Fresse, weil du die Sprache deiner Volksgruppe nicht sterben lassen willst, weil du Traditionen pflegst, weil ... Ach, ich weiß auch nicht warum eigentlich. Es ist zum Kotzen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen