All den Pupser, die mir jetzt seit Tagen ihr dröhnendes
"Wir sind im Krieg!" um die Uhren knallen, würde ich gerne eine Woche
all inclusive in einem der aktuellen Kriegsgebiete spendieren.
Engagement
Eigentlich müssten Rentnerverbände, Obdachlosenhilfen, Alleinerziehenden
Vereine, Kinderhilfswerke, Arbeitslosen Initiativen,
Soziale Hilfswerke überhaupt, etc. doch einen riesen Zulauf an aktiven Unterstützern
haben. Wieso haben die neuen engagierten besorgten BürgerInnen eigentlich noch
Zeit montags spazieren zu gehen?
Haltung
Weil immer wieder in Diskussionen unterstellt wird, dass
der Rassismus Begriff immer nur einseitig aus der linken Ecke gegen die rechte
benutzt wird: Sorry, von mir nicht. Ich mache da keinen Eckenunterschied und in
eine bestimmte Ecke lass ich mich auch nicht hinein schubsen. Eine Aussage wie
"Alle Flüchtlinge sind lieb und nett." ist genauso rassistisch wie
"Alle Flüchtlinge sind Moslems" oder "Alle Pegida Anhänger sind
dumm." oder "Alle Männer sind Schweine." Es geht dabei immer um
die Zuschreibung einer Eigenschaft ohne Differenzierung an alle Angehörigen
einer bestimmten Gruppe nur aus dem einzigen Grund, dass sie dieser Gruppe
angehören oder als angehörig gesetzt werden. Das ist der Unsinn und eben
rassistisch. Und nein, ich bin dagegen persönlich nicht gefeit, weil es eben so
schrecklich einfach ist zu vereinfachen und es manchmal der wütenden sich
hilflos fühlenden Seele so gut tut mal ungerecht und unfair zu sein. Besonders
wenn es hoch emotional zugeht. Aber, ich bemühe mich darum es zu bemerken oder
wenn mich jemand darauf hinweist, es einzusehen, bei mir nachzuforschen und
noch mehr aufzupassen nicht in diese Falle zu tapsen. Das macht den Unterschied
in der prinzipiellen Haltung.
Rassismus Erfahrungen
Paul Mecheril hat folgende subjektiven Bedeutungen von
Rassismuserfahrungen aufgelistet:
"Erfahrung von Gewalt
Erfahrung von Geringschätzung
Erfahrung, bedroht zu sein
Erfahrung von Angst und Furcht
Erfahrung von Ohnmacht
Erfahrung von Hilflosigkeit
Erfahrung, daß über mich verfügt wird
Erfahrung von Fremdbestimmtheit
Erfahrung, daß ich als jemand angesehen werde, als die
oder der ich nicht angesehen werden möchte
Erfahrung, daß ich keine Möglichkeit habe, mich gegen
zugeschriebene Bilder dauerhaft wirkungsvoll zur Wehr zu setzen
Erfahrung, daß mir Möglichkeiten verwehrt werden
Erfahrung, daß ich benachteiligt werde
Erfahrung, daß meine Benachteiligung für andere selbstverständlich,
sogar natürlich ist
Erfahrung, nicht anerkannt zu sein
Erfahrung, unerwünscht zu sein
Erfahrung, nicht zugehörig zu sein
Erfahrung, dass ich nie erwünscht sein werde
Erfahrung, ständig auf der Hut sein zu müssen
Erfahrung, niemandem auf der Straße ohne weiteres
vertrauen zu können (mit Ausnahme der ebenfalls potentiell Gefährdeten)
Erfahrung, daß die eigene Zukunft, aber auch die Zukunft
nahe stehender Menschen und hier vielleicht insbesondere die der eigenen Kinder
bedroht und ungewiß ist
Erfahrung, anders behandelt zu werden und anders zu sein
Erfahrung, von anderen (als) unnormal behandelt zu werden
und im Zuge dessen auch unnormal zu sein
Erfahrung, als minderwertig behandelt zu werden und im
Zuge dessen auch minderwertig zu sein (denn manche, die die Erfahrung machen,
‚nicht-deutsch' auszusehen, geraten in den Strudel dessen, daß ‚
nicht-deutsches-Aussehen' in der deutschen Gesellschaft als Symbol von
Minderwertigkeit gehandelt wird)
Erfahrung, auf das äußere Erscheinungsbild reduziert zu
werden
Erfahrung, nicht als der oder die erkannt zu werden, als
der oder die ich mich kenne“
(Prof. Dr. phil. Paul Mecheril 1995, S. 165)
Was ist Rassismus
"Der Rassismus ist die verallgemeinerte und
verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des
Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine
Aggressionen gerechtfertigt werden sollen."
„Rassismus dient der Aufwertung der eigenen Gruppe und
der Stabilisierung des eigenen Selbstgefühls und nimmt in diesem Sinn eine
Abwertung und Ausgrenzung anderer Menschen vor.“
„Rassismus behandelt Menschen nicht als Individuen,
sondern als Angehörige einer Gruppe – und unterstellt, dass sich aus dieser
Gruppenzugehörigkeit unveränderliche Eigenschaften, Fähigkeiten oder
Charakterzüge ableiten. Dabei wird die eigene Gruppe meist als höherwertig
begriffen.“
„Moderne Rechtsextreme versuchen, ihren Rassismus nicht
mehr biologistisch, sondern kulturalistisch zu begründen. Statt von
"Rasse", sprechen sie lieber von "Volk", "Ethnie"
oder "Nation". Sie behaupten, verschiedene Völker hätten
unterschiedliche Kulturen entwickelt, die strikt getrennt voneinander und im
Innern sauber von fremden Einflüssen gehalten werden müssten.“
„Rassismus ist die bewusste und unbewusste
Hierarchisierung und Diskriminierung von Menschen auf Basis konstruierter
Differenzen äußerlicher und/oder kultureller Art, die mit einer Aufteilung der
Gesellschaft in die dazu gehörenden ("wir") und die nicht dazu
gehörenden ("ihr") einhergeht. Die zugeschriebenen physiognomischen
und/oder kulturellen Differenzierungen werden mit positiven ("wir")
oder negativen ("ihr") Merkmalen (Charakter, Moralität,
Vernunftbegabung, etc. …) verknüpft.“
„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und
verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des
Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine
Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“
„Rassismus ist die Konstruktion von Differenzen
äußerlicher und/oder kultureller Art, die mit einer Dichotomie der Gesellschaft
in die, die dazu gehören ("wir"), und die, die nicht dazu gehören
("ihr"), einhergeht. Die physiognomischen und/oder kulturellen Differenzierungen
werden mit positiven ("wir") oder negativen ("ihr")
Merkmalen (Charakter, Moralität, Vernunftbegabung ...) verknüpft. Die
bestehenden Machtverhältnisse (Mehrheitsverhältnisse, Gesetzgebung, Geld,
Staatsgewalt, Zugang zu Medien ...) setzen die Etablierung eines gesellschaftlichen
"Wissens" um diese Differenzen und Zuschreibungen durch und
ermöglichen damit Ausgrenzung und Unterdrückung gegenüber den als
nicht-dazugehörig Definierten. Gleichzeitig kann Rassismus als Rechtfertigung
bestehender Verhältnisse von gesellschaftlicher Ungleichheit und als
Legitimation von Herrschaft und Unterwerfung dienen. Die gesellschaftliche,
strukturelle Verankerung dieser Gewalt- und Entmenschlichungspraxen verweist
auf Rassismus als Phänomen der Mitte der Gesellschaft, das zwar in Handlungen
einzelner Individuen zum Ausdruck kommen kann, ohne die gesellschaftliche
Verankerung aber nicht erklärbar ist. Rassismus unterliegt unterschiedlichen
historischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und manifestiert sich
dementsprechend in differenten gesellschaftlichen Praxen, so dass sinnvoller
Weise von Rassismen gesprochen wird.“
Lösungen
Chancenlosigkeit, Ausgrenzung, Diskriminierung, Armut, Perspektivlosigkeit,
Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, schon als Kind erlebte Gewalt, miserable Bildung
sind die wesentlichen Voraussetzungen, auf denen Fanatismus, Fundamentalismus
und Terrorismus jedweder Couleur wachsen und gedeihen. Wenn dem so ist, dann –
aufgepasst! - was wären denn dann die notwendigen
ersten Maßnahmen, um dem Dreigestirn der Gewalt den fruchtbaren Boden zu
entziehen? Na, na, na? Denk nach! … … … Ach, gucke mal da.
Paris, November 2015
Sprachlos, hilflos, wütend.
Als mich die ersten Freunde heute Nacht darauf hinwiesen,
dass die rechten Rattenfänger das Schreckliche für sich instrumentalisieren
werden, dachte ich noch: Ne, so dummdreist und menschenverachtend kann niemand
sein. Boah, ich werde gerade eines Besseren belehrt. Die Kommentare unter allen
Threads zu Paris werden immer widerlicher und ekelhafter und hasserfüllter.
„Glaubt Ihr
wirklich, der IS schickt seine Attentäter mit nem maroden Schlauchboot übers
Mittelmeer? Ihr habt ja einen Knall. Die Menschen fliehen doch genau vor diesem
Terror.“
Das Irre ist ja, dass die Argumentationskette so läuft:
Terroranschlag in Paris - IS als Täter ausmachen - IS sind Moslems -
Flüchtlinge sind Moslems - Flüchtlinge sind IS - Flüchtlinge sind Täter ...
Alles Irrsinn, denn: Bisher weiß niemand etwas genaues über die Täter - Terror
hat keine Religion, sondern benutzt dieselbe nur als Mäntelchen - Flüchtlinge
fliehen vor genau diesem Terror - Aus Opfer werden Täter gemacht. Wie
praktisch.
Freundlichkeit
Weil unsere Freundlichkeit größer ist als euer Hass. Weil
wir gar nicht groß drüber nachdenken, sondern einfach Selbstverständliches mit
Freude tun. Weil wir die sind, die wir sind. Und weil wir viele sind. Darum.
... Lassen wir uns den Blick nicht verschleiern, nur weil über die rechten
Pupser so ein medialer Hype gemacht wird. Lasst uns unsere Geschichten, unsere
Realitäten in den Raum werfen. Reden wir drüber. Lauter, deutlicher. Offener.
Mehr. Damit die ermutigt werden, die unsicher sind. Damit die leisen
Unermüdlichen eine angemessene Stimme bekommen. Denn diese Stimmen sind so
viele in diesen Tagen und sie sind lauter als das Gegrunze der besorgten
Bürger. Gebt ihnen mehr Öffentlichkeit. Sammelt sie, teilt sie, verlinkt sie.
Wieder und wieder.
Klartext.
Was ich nicht mag, sind solche Aussagen alá: „…
die Pegida/Afd Anhänger haben ihr Recht auf Menschsein verwirkt“. Oder setzt
sonst irgendein Subjekt nach eurem Belieben in diesen Text ein. Wahlweise
hätten wir noch Pädophile oder Linke oder Gelbschnäbler oder sonst was im
Angebot. Tut mir leid Leute, da zieh ich nicht mit, sowas trägt mein
Menschenbild nicht. Ich kann zornig sein. Ich kann mich bis aufs Blut fetzen.
Ich kann traurig sein. Ich kann empört sein. Ich kann überemotional sein. Ich
kann mich in den Weg stellen bis zum Umfallen. Ich kann entfreunden. Ich kann
mich distanzieren. Ich kann mich der Kommunikation verweigern. Ich kann mich
trennen. Ich kann ungerecht, aufgeblasen, unfair sein. Ich kann es wieder und
wieder mit Gesprächsangeboten versuchen. Ich kann so vieles, mein Reaktionsspektrum
ist groß, flexibel und ich kann entsprechend meinem Gegenüber frei wählend
darauf zurückgreifen. Lass mir da auch selten von jemandem rein reden. Was ich
aber nicht kann und auch niemals können will, ist einem Menschen, egal welchem
Menschen, für sein Denken und Handeln, egal welchem, sein Menschsein
abzusprechen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Jedes Menschen. Die
Menschenrechte sind für jeden Menschen gültig. Ohne Wenn, ohne Aber. Punkt.
Nix Neues
Was mir gerade so durch den Kopf geht: Als ich den Vater
meiner Kinder heiratete (Iraner) verabschiedete sich die Hälfte meines Freundeskreises.
"Ausländerschlampe" war noch eines der freundlichen Argumente. Als
meine kleine Tochter sich ein Sintimädchen zur besten Freundin auserkor, durfte
ich mir in Elterngesprächen fürsorglichbedenkliche Warnungen über diesen
"schlechten" Umgang anhören. Als mein kleiner Sohn in der Grundschule
mit seinem besten Freund (Eritrea) Arm in Arm herumlief, musste ich zu einem
Gespräch mit Klassenlehrerin, die meinte, mich darauf hinweisen zu müssen, dass
dies doch vielleicht erste Ansätze von Homosexualität sein könnten, denn man
wisse ja so gar nix über die sexuellen Neigungen der Negerkinder. ... ... Ach,
da tauchen gerade noch so viel mehr Erinnerungen auf. Nein, Leute, erzählt mir
nix davon, dass dies alles neu sei und mit den aktuellen Zahlen von Flüchtlingen
zu tun hätte. Hat es nicht. hatte es nie. Da geht es um etwas ganz anderes und
das schon, seit dem ich auf der Welt bin: Rassismus. In all seinen
widerwärtigen Formen. Nix Neues in meinem Land, so gar nix Neues.
Die Rattenfänger
jedweder Couleur bekommen durch Medien
und die Neuen Medien mehr Raum und Stimme. Das ist richtig. Da waren sie aber schon immer. Wenn ich mir
die letzten fünfzig Jahre aus rein persönlicher Sicht anschaue, dann habe ich
nicht das Gefühl, dass sich grundlegend etwas verändert hat: Kriegstreiberei,
Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit Gewalt gegen alles, was anders ist – ist
für mich nix Neues. Solidarität, Friedenswille, Akzeptanz des Andersseins gab
und gibt es aber auch. Es ist alles nur viel öffentlicher und lauter. Unbehagen?
Ja. Durch die neue Öffentlichkeit werden die Brüche sichtbarer, die
Informationsfluten gewaltiger, die Widersprüche deutlicher, die Irritationen
durch Propagandalügen schwerer zu durchschauen. Da den eigenen Weg zu finden
ist hindernisreicher als vor Jahrzehnten. Darauf sind viele Menschen nicht
vorbereitet und es mangelnd ihnen an den notwendigen Handwerkszeugen. Das
verunsichert. Und diese Unsicherheit wird ausgenutzt und fehlgeleitet. Angst,
wohin das alles führen wird? Nicht mehr und nicht weniger als mein ganzes Leben
schon. Für die Hoffnung gilt dies aber ebenso. Ausreichend Nahrung finde ich in diesen Tagen
für beides.
Schießbefehl
Jetzt regen sich einige mächtig auf, andere gucken betröpfelt,
wieder andere grinsen verschämt, ertappt, beim gerade noch gestopptem Nicken.
Warum? Weil so ein AfD Typ was vom Schießen und Schusswaffengebrauch an den
Grenzen gesagt hat. Ach? Überrascht? Wacht mal auf, denn das ist die einzig logisch folgerichtige Konsequenz dieses menschenrechtsverachtenden rassistisch
faschistoiden Menschen- und Weltbildes … … … Schießbefehl an der Grenze,
Rückführung in Todes-, Verfolgungs-, Hunger- und Kriegsgebiete, verrecken
lassen auf den Fluchtwegen, Todschlagen auf den Straßen - da liegen keine Welten
dazwischen. So gar keine. Eure Empörung ist geheuchelt, denn die einzige
Alternative wäre, die Grenzen endlich auf, die Reise ungefährlich und dann für
alle Beteiligten das Beste draus zu machen. Denk mal drüber nach, bevor ihr
euch wieder in Schnappatmungswellen selbstverherrlichend badet.
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