Veränderungen

Was hat sich konkret an deiner persönlichen Lebensqualität durch die Zunahme der Flüchtlings- und Migrationszahlen in den letzten Monaten geändert?

Was hat sich für mich verändert? Real konkret erstmal nix, außer dass meine Tochter öfters als sonst gefragt wird, aus welchem Land sie denn geflohen sei. In Bezug auf Anmache, Antanzen, sexuelle Übergriffe etc.  - da ich älter bin und weniger in der Stadt nachts unterwegs, kann ich dazu nix sagen. Als Frau war ich in bestimmten Situationen schon immer auf der Hut. Rassismus? Ja, gab und gibt es, solange ich denken kann um mich drum herum. Hat mir nie Angst gemacht, sondern mich höchstens wütend. Genauso wie die Realpolitik weltweit. Für mich eine Systemfrage, daran hat sich nichts verändert. Warum auch? Gewalt auf den Straßen? Ich frag mich seit Jahren erstaunt ob all dem Elend und der Ungerechtigkeiten, warum unsere Städte nicht brennen. Aufgefallen ist mir, dass eben nicht nur die Braunen und "Besorgten" lauter werden, sondern auch die Besonnen und bisher eher stillen, hilfsbereiten und offenen Menschen. Das geht oft unter in diesen Tagen. Fürchte ich um mein Land? Nicht mehr und nicht weniger als in den Jahrzehnten vorher. 

Schaue ich auf die letzten sechzig Jahre zurück, so ganz persönlich, dann kann ich nur feststellen, dass Dummheit, Vorurteile, Diskriminierung und auch Rassismus schon immer ein Teil meines Lebens waren, mit dem ich mich auseinandersetzen musste. Heute ist er lauter, bekommt mehr öffentlichen Raum. Das macht es widerlicher, aber für mich als Person auch einfacher: Mein Gegenüber sagt mir nun ins Gesicht, welche Gesinnung es in sich trägt und schlägt nicht hinterfotzig hinten rum um sich rum und auf mich drauf.

Die vielen Menschen aus so unterschiedlichen Ländern? Da ich Jahrzehnte in der Flüchtlingsarbeit tätig war, kommt mir das alles nicht fremd vor. Zu meinem Umfeld gehörten und gehören ganz selbstverständlich Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen. War und ist eine Bereicherung.

Ja, ich weiß deshalb um die Problematiken der Integration, auch um das Gewaltpotential auf allen Seiten. Ich weiß aber auch: Einfache, eingleisige Lösungen waren und sind für die Katz und allerhöchstens Propagandamittel. Nebeneffekt durch die hohe Zahl der Neuankommenden: Das was bisher schon Scheiße war in meinem Land, wird nun deutlicher sichtbar. Dafür können die Ankommenden nix, das sind unsere liegen gebliebenen Aufgaben. Die könnten wir jetzt endlich gemeinsam angehen.

Besorgnisse? Ja, die kann ich gut verstehen. Umbrüche und Veränderungen bringen das mit sich. Im Großen und im Kleinen. Eines der besten Werkzeuge dafür: Raus aus dem passiven Hinnehmen und aktiv an der Gestaltung einer menschenwürdigen, die Menschenrechte achtenden Gesellschaft für alle mitwirken. Alles was wir dafür brauchen, ist schon da. Im Großen, wie im Kleinen.


Hoffnungslos macht mich das alles nicht. So gar nicht. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen